Die langjährige Landes- und Bundespolitikerin Annegret Kramp-Karrenbauer und der Chef der Staatskanzlei, David Lindemann, gehören seit Beginn des laufenden Jahres zum Vorstand der Sportstiftung Saar. Die frühere Ministerpräsidentin des Saarlandes wurde vom Stiftungsrat als Nachfolgerin von Günter Waluga benannt. Das frühere LSVS-Aufsichtsratsmitglied Lindemann, das auch Bevollmächtigter für Europaangelegenheiten des Saarlandes ist, wurde von der Landesregierung benannt und tritt die Nachfolge von Georg Jungmann an. Das Gremium komplettieren die vom LSVS gesandten Prof. Dr. Klaus Steinbach (Vorsitzender), Johannes Kopkow und Joachim Tesche.
Frau Kramp-Karrenbauer, Sie waren bis vor zwei Jahren bundespolitisch unterwegs, zuletzt als Verteidigungsministerin. Seither bekleiden Sie kein politisches Amt. Wie gestalten Sie derzeit Ihren Alltag?
Annegret Kramp-Karrenbauer: Ich bin immer noch vielbeschäftigt, aber trotzdem ist es viel entspannter als vorher. Ich bin ehrenamtlich engagiert – in der Sportstiftung, aber auch darüber hinaus auf nationaler und internationaler Ebene.
Bleibt dabei noch Zeit, um selbst Sport zu treiben?
Kramp-Karrenbauer: Ein Leben ohne Sport und Bewegung könnte ich mir gar nicht vorstellen. Schon als Kind war ich im Turnen aktiv, später auch als Übungsleiterin und Vorstandsmitglied. Mit zunehmendem Alter hat sich das dann eher in Richtung Laufen – oder besser: Traben – entwickelt. Heutzutage mache ich noch Yoga, fahre Fahrrad und versuche mich gerade an etwas Neuem: Linedance. Das finde ich sehr interessant. Zum einen die Bewegung, das Tanzen an sich, aber es ist auch für den Kopf eine Herausforderung, sich die vielen unterschiedlichen Figuren zu merken.
Mit dem Vorstandsamt bei der Sportstiftung Saar kommen neue Aufgaben auf Sie beide zu. Wie groß schätzen Sie den Aufwand, der für Sie damit verbunden ist?
Kramp-Karrenbauer: Also ich kann schon sagen, dass wir bereits über mehr Termine geredet haben, als mir bei der Anfrage, ob ich mich denn engagieren möchte, in Aussicht gestellt wurden (lacht). Aber das ist kein Problem für mich. Das ist ja bei allen Ehrenämtern so und das weiß man auch, wenn man sich für ein solches Amt entscheidet.
David Lindemann: Die Sitzungen werden ja durch die Geschäftsstelle vorbereitet, von daher wird der Zeitaufwand für uns eher überschaubar sein.
Was können und wollen Sie als Vorstandsmitglied mit der Sportstiftung Saar bewegen?
Kramp-Karrenbauer: Die Sportstiftung Saar hat ja schon eine gewisse Geschichte, früher noch gemeinsam mit Rheinland-Pfalz, inzwischen nur noch für das Saarland. Nach wie vor geht es darum, Förderer und Unterstützer des Sports zu finden. Dazu nutzt man seine Kontakte und Verbindungen. Gerade nach der schwierigen Zeit in der Corona-Pandemie und auch in der aktuell turbulenten Weltlage ist das wichtig. Darin sehe ich eine der Hauptaufgaben der Sportstiftung.
Lindemann: Das sehe ich ähnlich. Nach der Corona-Krise ist es wichtig, die saarländischen Unternehmen nochmal dazu zu motivieren, Geld in den Sport fließen zu lassen. Die Sportstiftung ist das dafür am besten geeignete Instrument, ohne in eine individuelle Vereinsförderung oder Sponsoring einzusteigen, was wiederum Begehrlichkeiten bei jeweils anderen Vereinen oder Branchen wecken könnte. So haben wir ein geeignetes Instrument, um die vorhandenen Mittel gerecht zu verteilen. Demnach ist es gut, dass die Sportstiftung in nun neuer Besetzung einen neuen Anlauf unternimmt, die Quellen, die es im Saarland gibt, anzusprechen und für die Unterstützung des Sports und damit auch des großen Engagements im Ehrenamt zu werben.
Wie bewerten Sie die Entwicklung des organisierten Saarsports in den vergangenen Jahren?
Kramp-Karrenbauer: Bei aller berechtigten Kritik bleibt festzuhalten, dass der Saarsport über Jahre und gar Jahrzehnte davon profitiert hat, dass es im organisierten Sport selbst, aber auch mit der Politik ein gutes Miteinander gab. Gerade in den Jahren der Haushalts-Notlage war das sogenannte „Sportachtel“ der Saartoto-Gelder eine stabile, unangefochtene und unabhängige Finanzierungsquelle, die vieles möglich gemacht hat, was mit Blick auf die damalige Haushaltslage eigentlich nicht möglich gewesen wäre. In diesen Jahren ist vieles weiterentwickelt worden – allen voran an der Hermann-Neuberger-Sportschule und am Olympiastützpunkt, der für das Saarland enorm wichtig ist. Wir haben es geschafft, viele Sport-Großveranstaltungen wie beispielsweise die Tour de France hierher zu holen, es wurden viele beachtliche Erfolge geholt wie die Olympia-Goldmedaille von Jan Frodeno 2008. Somit wurde eine gute Grundlage für die heutige Zeit gelegt, in der sich ja vieles tut – auch in einzelnen Disziplinen.
Lindemann: Ich freue mich über die Entwicklung im Sport, insbesondere auch im LSVS. Vieles ist strukturierter und transparenter geworden und ich finde, dass der Weg des Aufsichtsrates schon vor der Neuwahl ein guter war. Hinzu kommt, dass die hauptamtlichen Vorstände verlässliche und belastbare Arbeit leisten. Ohnehin ist die Professionalisierung in diesem Bereich ein großes Glück für den Verband. In der jüngsten Mitgliederversammlung hat man keine Differenzen ausmachen können, alles lief sehr harmonisch ab und das ist eine gute Botschaft an die Sportfamilie im Saarland. Es wird irgendwann auch wieder Auseinandersetzungen geben, aber ich glaube, dass der Geist insgesamt entspannter geworden ist. So kann es gerne weitergehen.
Gibt es auch etwas, das Sie rückblickend kritisch sehen?
Kramp-Karrenbauer: Selbstkritisch muss man schon sagen, dass wir es im Saarland nicht geschafft haben, die Rahmenbedingungen für den Schulsport wirklich zu verbessern. Vieles ist einfach nicht so, wie es sein sollte – das gilt allerdings auch für andere Bundesländer. Eine gute Grundlage für den Schul- und den Vereinssport zu legen ist heute ein ganz wichtiger Punkt für die Politik. Noch wichtiger, als es für frühere Generationen der Fall war.
Lindemann: Ich sehe die Akquise insgesamt etwas kritisch. Man verliert immer mehr Kinder und Jugendliche an Spielkonsolen und sonstige Vergnügungen und die Begeisterung für aktives Sporttreiben, für Körpergefühl, Fairplay, Rhythmus und die Gemeinschaft geht ein Stück weit verloren. Das Thema des Schulsports sehe ich auch als verbesserungswürdig an. Hier würde ich aber auch die Vereine in den Blick nehmen, die noch mehr an Schulen für ihre Sportarten werben und Kinder dafür begeistern könnten. Sport ist so etwas Tolles und Verbindendes, dass man es den Heranwachsenden nicht vorenthalten sollte.
Gerade in den vergangenen Jahren hatten es die Vereine nicht leicht. Inwiefern hat die härteste Phase der Pandemie dem organisierten Sport im Saarland geschadet?
Kramp-Karrenbauer: Gemessen an den Rückmeldungen, die mich erreichen, ist es sehr unterschiedlich. Es gibt Vereine, die sehr gut durch diese Phase gekommen sind und sogar einen Zuwachs an Mitgliedern zu verzeichnen haben. Das waren oft diejenigen, die kreativ geworden waren und in dieser Zeit neue Dinge auf den Weg gebracht haben. Andere haben sehr gelitten und kämpfen um ihre Existenz. Studien haben zudem gezeigt, dass bundesweit insbesondere bei Kindern der Bewegungsmangel dieser Zeit deutliche Spuren hinterlassen hat.
Lindemann: Als Fußballer kann ich sagen: Wir haben kaum Mitglieder verloren und sogar welche dazugewonnen. Mein Eindruck ist, dass überall dort, wo die Vereine schon vor der Pandemie intakt waren und gut geführt wurden, kreative Lösungsansätze gefunden wurden, um die Mitglieder zu halten. Bei denjenigen, die ohnehin schon Probleme beispielsweise bei der Anzahl an Ehrenamtlichen hatten, hat Corona wie ein Brandbeschleuniger gewirkt und diese Probleme verstärkt. Wichtig ist, dass wir jetzt wieder Fahrt aufnehmen und Aufmerksamkeit erzeugen. Auch mit Blick auf die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Paris.
Die Olympischen Spiele 2024 sollen ja auf Initiative des LSVS und mit Unterstützung der Landespolitik dazu genutzt werden, den Sportstandort Saarland, aber auch das Image des Landes allgemein zu fördern. Wie kann das gelingen?
Kramp-Karrenbauer: Werner Zimmer, der ja eine Größe im Saarsport und im Journalismus ist, hat immer gesagt: Man braucht den Fokus auf die Spitze, um auch in die Breite zu wirken. Diese Anreizfunktion sieht man im Fußball bei jeder WM – sofern sie nicht gerade in Katar stattfindet – und bei den Olympischen Spielen ganz sicher auch. Es bringt die Leute einfach noch einmal mehr dazu, sich mit Sport zu befassen und das Interesse daran zu wecken. Wenn so ein Großereignis quasi direkt vor der eigenen Haustür stattfindet, ist das für unsere durchaus französisch geprägte Region eine doppelte Chance: sowohl für den Sport als auch für das Festigen der guten Beziehungen zu Frankreich.
Lindemann: Die Welt schaut 2024 nach Paris und sieht dort auch die Werte, die mit den Olympischen Spielen in Verbindung stehen und über den Sport transportiert werden, wie beispielsweise Fairness und Frieden. Uns allen ist auch klar, dass die Olympischen Spiele wohl nie wieder so nah an das Saarland heranrücken werden wie in Paris. Deshalb ist das Anknüpfen an die Spiele eine Image-Chance für das ganze Land. Für den Tourismus, den Sport, die Infrastruktur und vieles mehr. Man wird das gesamte Land in Bewegung bringen können. Durch unsere spezielle Beziehung zu Frankreich schaffen wir es als französischstes aller Bundesländer, auch auf der anderen Seite der Grenze stets Gehör zu finden.
Eine Kernaufgabe der Sportstiftung Saar ist die Förderung von Talenten, die im Saarland geboren wurden oder für einen saarländischen Verein starten. Einige von ihnen haben realistische Chancen, sich für die Teilnahme an den Spielen in Paris zu qualifizieren. Wie kann sich die Sportstiftung darüber hinaus bei der „Paris-Strategie“ einbringen?
Lindemann: Indem sie mit dem Fokus auf die Olympischen Spiele genau die anspricht, die sonst für den Sport oder einzelne Vereine nicht ansprechbar waren, die sich aber der Idee, dem Standortfaktor und dem Werben für den Standort verpflichtet fühlen – vielleicht ähnlich, wie es bei den Saarlandbotschaftern der Fall ist.
Kramp-Karrenbauer: Ich bin mir ganz sicher, dass uns beide schon die Namen einiger Personen durch den Kopf gehen, die wir für diese Unterstützung anfragen könnten. Im Saarland, aber auch in der Großregion. Ihnen werden wir vermitteln, dass der Sport per se ein großer Imageträger für ein Unternehmen ist, was schon eine Win-win-Situation schafft. Dies wird durch die Nähe zu den Olympischen Spielen natürlich noch einmal verstärkt. So gesehen ist sicher jeder, der bei der Sportstiftung mitwirkt, bereit, seine Kontakte diesbezüglich abzuklopfen.
Lindemann: Wie so oft ist eine zentrale Frage, wie viele finanzielle Mittel man für ein solches Unterfangen und damit auch für das Wohl und das Image des Landes mobilisieren kann. Und hier werden wir eine gute Rolle spielen können. Wir könnten beispielsweise dabei unterstützen, Volunteer-Teams aufzustellen oder uns bei der Markenbildung oder der Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen einbringen. So würde die Sportstiftung nicht nur die geförderten Spitzensportler, sondern auch die Breite des Sports dabei unterstützen, an diesem Mega-Event zu partizipieren.
Herr Lindemann, in der ersten Saar-Sport-Ausgabe des Jahres wurden von Seiten der Landesregierung erste Aktivitäten der Koordinierungsstelle „Olympia 2024“ genannt. Was hat sich seither getan?
Lindemann: Wir haben uns inzwischen mit Vertretern der Départements in Grand Est getroffen, die Teil des Programms „Terre de jeux“ sind, also einer Bewegung zur Vernetzung unterschiedlicher Akteure und Botschaften für das „Projekt Paris 2024“. Wir sind gerade dabei zu organisieren, dass Mannschaften, die im Grand Est niederlassen, im Saarland wettbewerbsfähige Trainingspartner und Trainings-Infrastruktur vorfinden können. Natürlich wird es auch eine entsprechende Vermarktungsstrategie geben – die Bemühungen sind auf unterschiedlicher Ebene bereits in vollem Gange.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Kramp-Karrenbauer und Herr Lindemann.