Umgang mit Mitarbeitern – wie gut sind wir im Verein?

Bei der Gewinnung und Bindung ehrenamtlich Engagierter kommt dem Verständnis für die individuellen Lebenssituationen und Erwartungen eine immer wichtigere Rolle zu. Der Umgang mit Mitarbeitern wird zur Führungsaufgabe.

„Gestern haben wir mehr als 2 Stunden rumdiskutiert, rausgekommen ist nichts.“ „Ich brauche eine dringende Information vom Geschäftsführer, er meldet sich nicht auf meine Email!“ „Ich weiß gar nicht, warum ich mir für den Verein die Zeit um die Ohren haue.“ Na – erkennen Sie Sprüche aus ihrem Verein wieder? Ein Vereinsmitglied bekommt dies mit. Was meinen Sie folgert die Person im Hinblick auf Freude und Spaß bei der Vereinsarbeit? 
   

Leiden ist leichter als Handeln (Reinhard K. Sprenger)

Diese Zwischenüberschrift aus einem Buch zu Motivation hätte für viele Turnvereine geschrieben werden können. Auf Veranstaltungen, in Gesprächen oder bei anderen Gelegenheiten wird über die Mitarbeitssituation geklagt. Und das schon viele Jahre. 

Eine Entwicklung zeigen die letzten Jahre deutlich: Das Thema Mitarbeit wird zu einer echten Aufgabe für die Vereinsführung, gerade auch im Bereich der unbezahlten Mitarbeiter. Lange Zeit war es ein Selbstläufer, irgendwie konnten alle Aufgaben geschafft werden. Teils auch auf Kosten verbliebener Mitarbeiter, die ein Mehr an Stunden in Kauf genommen haben. Es zeigt sich aber auch, dass diese Selbstverständlichkeit seltener wird. Man muss sich um die Bereitschaft zur Mitarbeit mehr bemühen und die Mitarbeit selbst muss eine sinnvolle Qualität haben.

Das geht nicht ohne Konzept und Engagement. Entsprechende Ansätze und Gedanken werden im Sportbereich in jüngerer Zeit diskutiert. V. a. wird zunehmend darauf verwiesen, dass es im Verein einen qualifizierten Ansprechpartner für das Thema Mitarbeit braucht. 

Nun stellen wir uns einmal vor, die Mitarbeit im Verein ist keine Selbstverständlichkeit und wir müssen um Interessierte werben. Und die Mitarbeit im Verein wird damit zu einem Leistungsangebot, welches den Angesprochenen reizvoll erscheinen muss.
  

Jeder Mitarbeiter ist anders

Zunächst müssen wir uns darauf einstellen, dass es viele verschiedene Lebenssituationen gibt, in denen Vereinsarbeit einzubinden ist. Vereinsarbeit muss also Gestaltungsmöglichkeiten beinhalten, 08/15-Lösungen funktionieren nur noch selten. Frau / Mann, Alter, Lebenssituation, Beruf ... alles Einflüsse für die Möglichkeiten, Aufgaben im Verein zu übernehmen. Von den notwendigen Kompetenzen einmal abgesehen. Und die Einflüsse können sich für Mitarbeiter während ihrer Vereinszugehörigkeit verändern. 

Junge Menschen haben wegen der veränderten Schulzeiten weniger Möglichkeiten sich zu engagieren, Studenten haben durch das heutige Studienangebot weniger Freiräume als früher und das Berufsleben stellt auch größere Anforderungen als früher. Um Menschen für die Mitarbeit begeistern zu können muss das Angebot attraktiv und flexibel sein. Gerade bei jüngeren Mitarbeitern muss man sich ebenfalls darauf einstellen, dass Ortswechsel wegen Beruf, Studium oder Familie häufiger vorkommen.

Dies bedeutet sich intensiver mit den Interessenten für Mitarbeit zu befassen. Einerseits um sie zu überzeugen, andererseits um ein möglichst maßgeschneidertes Mitarbeitskonzept für sie zu ermöglichen. Und der Umgang mit Vereinsarbeit muss insgesamt auf diese Sensibilität und Vielfalt ausgerichtet werden. 

Eine solche Vielfalt kann z. B. bedeuten, dass auch lange erprobte Vereinsvorstände sich mit dem Thema Internetkonferenz auseinander setzen müssen. Es kann dazu führen, dass die Betreuung von Übungsstunden, durch zwei Übungsleitern im Wechsel erfolgt. Es kann der Bedarf an einer Springerlösung für z. B. Gymnastikgruppen bestehen, wenn berufliche oder familiäre Unwägbarkeiten in der Zeitplanung bestehen. Die Begleitung eines neuen Mitarbeiters kann ebenfalls eine neu zu klärende Aufgabe sein. 

Es reicht halt nicht mehr auf den Spruch „Ja, ich nehme die Wahl an.“ zu hoffen, sondern im Vorfeld sind Aufgaben und Zeitvolumina verbindlich abzustimmen und die Begleitung der Mitarbeit ist vorzuhalten. Daraus kann sich im Laufe der Zeit ein Mehr an Engagement bei dem Einzelnen entwickeln, aber zunächst muss der abgestimmte Rahmen die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sein. 
   

Mitarbeit in den Blick nehmen

Es gilt, sich im Verein darüber klar zu werden, wie es um das Thema Mitarbeit steht. Wer arbeitet mit? Unter welchen Bedingungen? Wie zufrieden sind die Mitarbeiter? Wo könnten Sie Unterstützung gebrauchen? Und wie steht es mit dem Nachwuchs? Was erwarten Menschen von einem Engagement im Verein?

Viele Fragen auf die es Antworten braucht, die dann zu einer Verbesserung der Mitarbeit im eigenen Verein führen sollen. Man kann mit fünf grundlegenden Ansatzpunkten beginnen:

 

  • Wie machen wir uns ein Bild von der Situation und den Bedürfnissen der vorhandenen und möglichen neuen Mitarbeitern?
    Dazu gehören z. B. Vorgespräche zu Erwartungen und Möglichkeiten von Interessenten, sowohl zu den Vereinsaufgaben als auch dem individuellen Rahmen. Aber auch das Hineinhorchen in den Kreis der Mitglieder und das nähere Vereinsumfeld.
  • Welche Konsequenzen ziehen wir daraus für die Zusammenarbeit und den Umgang mit Mitarbeitern in unserem Verein?
    Es geht darum, wie das Thema Mitarbeit im Verein als Gestaltungsaufgabe für die Vereinsführung begriffen wird und zu welchen Ergebnissen dies führt. Bestandsteile sind z. B. die für den einzelnen Verein typische Willkommens-, Begleitungs-, Anerkennungs- und Verabschiedungskultur.
  • Wie sieht die Zusammenarbeit und Mitarbeit im Verein in der Realität aus?
    Die gelebte Form der Zusammenarbeit ist letztlich ausschlaggebend für das Erleben durch die einzelnen Mitarbeiter.
  • Wie stellen wir die Mitarbeit in unserem Verein nach außen dar?
    Wenn wir für Mitarbeit werben wollen und den Reiz der Aufgabe bekannt machen, müssen wir eine gute Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Thema pflegen.
  • Wie bewerten die Mitarbeiter ihre Arbeitssituation im Verein?
    Das ist letztendlich der Härtetest, denn hieran macht sich fest, wie die Begeisterung der Mitarbeiter ist und auch, welche Meinung sie über die Vereinsarbeit weitergeben.

 

Der Anfang ist damit gemacht

Über diese Fragen und Stichworte kann man sich das Thema heranhangeln. Daraus lassen sich Aufgaben ableiten, wie man sich als Verein attraktiv für Mitarbeit macht. Noch einmal eine Anleihe (frei nach Ekkehard Kappler): „Beginne hemdsärmelig, aber beginne!“

Autor: Prof. Dr. Ronald Wadsack, Salzgitter